In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte aus Agenturen aus dem Bereich Digitales Marketing. Hierdurch lernst du die Leads und ihre Agenturen von einer neuen Seite kennen und erhälst durch ihre Antworten Impulse für die Leitung deines eigenen Teams. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Artur Kosch, Gründer und Geschäftsführer bei Kosch Klink Performance – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Artur Kosch
Gründer und Geschäftsführer bei Kosch Klink Performance
Artur Kosch ist Unternehmer, Suchmaschinen-Experte, Speaker und Dozent. Als geschäftsführender Gesellschafter der Kosch Klink Performance GmbH, einer Suchmaschinenmarketing-Agentur spezialisiert auf die Finanzbranche ist er verantwortlich für den strategischen Aufbau und Weiterentwicklung der Agentur.
Zudem hält er regelmäßig Vorträge auf Konferenzen, publiziert Fachbeiträge rund um das Thema Suchmaschinen und ist als Dozent an der Hochschule Kaiserslautern im Fachbereich Online Marketing tätig.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Mein Geschäftspartner Eugen Klink und ich sind sehr früh in unserer Gründungsphase auf die Bücher vom Unternehmercoach Stephan Merath gestoßen. Neben seinen Büchern Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer und Die Kunst, seine Kunden zu lieben hat mich sein Buch Dein Wille geschehe: Führung für Unternehmer in Sachen Führung maßgeblich beeinflusst. Ganz nach dem Motto „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ fängt es in Sachen Führung immer mit einem selbst an. Wenn es im Team nicht funktioniert, hängt es meist an der Führungskraft! Das Wissen und die Werkzeuge aus seinen Lektüren, Seminaren und dem 2-jährigen Unternehmertraining haben mich und damit auch unser Unternehmen maßgeblich geprägt.
Für die agile Führung kann ich das Buch Selbstorganisation braucht Führung: Die einfachen Geheimnisse agilen Managements von Boris Gloger und Reinventing Organizations von Frederic Laloux sehr empfehlen. Wer agile Teams aufbauen und führen möchte, kommt meiner Meinung nach an den beiden Lektüren nicht vorbei.
Sehr inspirierend fand ich zudem Keine Regeln: Warum Netflix so erfolgreich ist von Reed Hastings und Die Kreativitäts-AG von Ed Catmull. Da diese beiden Bücher sehr aus der amerikanischen Kultur (Netflix und Pixar) abgeleitet sind und damit in einigen Fällen zu unserer westeuropäischen bzw. deutschen Kultur nicht immer passen, darf man die Inhalte gerne mit Vorsicht genießen. Ich habe aber davon einiges mitnehmen und in unserer Agentur auch etablieren können.
2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter?
In Sachen Führungsstile finde ich es sehr wichtig zu wissen, wann welcher Führungsstil sinnvoll und wann ein Führungsstil erst gar nicht notwendig ist (Metamodell: 1. Führung durch Zwang, 2. Führung mit Prozessen und Aufgaben, 3. Führung mit Zielen, 4. Agile Führung, 5. Führung mit Sinn). Wenn ich beispielsweise eine McDonalds-Filiale führen würde, kann der 2. Führungsstil mit Prozessen und Aufgaben sinnvoll sein, da Arbeitsabläufe in klare Aufgaben strukturiert sind, wenig Komplexität herrscht und der Kontext sich nur langsam ändert. Anspruchsvollere Führungsstile wären hier nicht notwendig und eher kontraproduktiv.
In einer Agentur ist das natürlich ganz anders. Sich ständig verändernde Ziele und Anforderungen und die hohe Komplexität der Aufgaben fordern ein hohes Maß an Selbstverantwortung und -organisation sowie ein freies, zwangloses Handeln. Daher bewege ich mich maßgeblich im Führungsstil 4: Agile Führung (Selbstorganisation) und Führungsstil 5: Führung mit Sinn. Je nach Situation und Anforderung, springt man auch zwischen den einzelnen Führungsstilen hin und her. Meist passiert das unbewusst, es hilft aber in der Führungskompetenz enorm, wenn man sich über diese Führungsmodelle bewusst ist.
Da wir in unserer Agentur von der agilen Führung und Selbstorganisation überzeugt sind, haben wir Anfang 2021 die agile Organisationsstruktur nach dem Spotify-Modell mit Tribes, Squads, Chapters und Guilds eingeführt. Damit konnten wir die klassische Organisationstruktur und Pyramiden-Hierarchie (Manager führt ein Team) und die Silodenke in Fachbereiche (SEO, Content, SEA etc.) aufbrechen und selbstorganisierende crossfunktionale Teams aufbauen. Damit hat ein Team (Squad) mit seinen Akteuren jede fachliche Expertise (OnPage, Content, Technik, Analyse, PPC etc.), die ein Kunde/eine Kundin benötigt. Die Squads organisieren und priorisieren ihre Aufgaben eigenständig nach dem größten Engpass. Hier wird sich immer wieder die Frage gestellt: Was ist gerade das Beste für unseren Kunden/unsere Kundin? Damit steht hier stets der Kunde/die Kundin im Fokus und nicht der Fachbereich. Auch organisatorische Aufgaben werden so leichter. Beispielweise planen die Mitglieder der Squads ihren Urlaub untereinander – ohne, dass ein Manager/eine Managerin diesen absegnen muss, um Ressourcen zu verteilen.
Wer mehr darüber erfahren möchte, wie wir diese Organisationsstruktur in unserer Agentur umgesetzt haben, kann sich gerne den Gastbeitrag im Ryte-Magazin von unserer Head of Organic Search, Julia Napalowski durchlesen: So nutzt du agile Prozesse im Search. Julia war maßgeblich für den Aufbau und die Umsetzung verantwortlich und hat mit den Teams einen wirklich erstklassigen Job gemacht.
3. Wie sieht euer Bewerbungsprozess aus und was sind deine liebsten Fragen in einem Bewerbungsgespräch?
Wir haben einen 4-Stufen-Bewerbungsprozess. Dieser klassisch mit dem Bewerbungsschreiben beginnt, dann führen wir einen 15-Minuten Video-Call durch. Dort wird abgeklopft, ob es grundsätzlich auf beiden Seiten passt. Wenn das der Fall ist, geht es in das persönliche Bewerbungsgespräch. Zu diesem (Vorort-)Kennenlerngespräch darf der Bewerber/die Bewerberin eine kleine Aufgabe mitbringen, die er oder sie vorher von uns bekommen hat. Die Fragen in dem Bewerbungsprozess haben wir dabei in 6 Kategorien unterteilt: Bewerbungsmotivation, Fachwissen, Persönlichkeit/Stärken-Schwächen-Profil, Arbeitsweise, Kultur/Fitting und Charakter/Werte.
Uns war es wichtig, dass wir uns in der kurzen Zeit so gut wie möglich kennen lernen, beide Seiten wissen, was von ihnen erwartet wird und ob es wertemäßig fittet. Das Fachliche spielt in den meisten Situationen hier erstmal nur eine untergeordnete Rolle. Wenn es von beiden Seiten passt, gibt es ggf. noch einen Probearbeitstag, in dem sich unser neues Teammitglied mit dem Team austauschen kann. Der Bewerber/die Bewerberin bekommt von Anfang an direkt mitgeteilt, wie unser Bewerbungsprozess aussieht und wo er /sie sich gerade im Prozess befindet. Hier hilft unser HR-/Recruting-Tool Personio sowohl uns als auch den Bewerbern sehr und erleichtert vieles.
Meine Lieblingsfrage ist übrigens: „Wie würdest du ein Flugzeug vermessen – ohne Maßstab“. Da es wie in den anderen Fragen, kein richtig oder falsch gibt, finde ich es immer sehr interessant, auf welche kreativen Lösungen die Bewerber und Bewerberinnen kommen. 🙂
4. Wie sieht euer Onboardingprozess aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass neue Mitarbeiter sich in deinem Team wohlfühlen?
In unserem Onboardingprozess bekommt das neue Teammitglied natürlich ein Willkommensgeschenk, seinen neuen voll eingerichteten Laptop und alles, was er/sie persönlich braucht, um produktiv arbeiten zu können. Hier gehen wir auch gerne vorab auf persönliche Vorlieben ein. Jedes Teammitglied, lernt dann zu Beginn alle Mitglieder seines Teams kennen, entweder vor Ort oder auch virtuell. Danach gibt es in vorab definierten Abständen Schulungen in unsere Systeme, Prozesse, Organisationsstrukturen, Tools etc.
Damit ich auch persönlich jeden neuen Kollegen kennenlernen darf, gehe ich mit diesem gemeinsam zu einem ausgedehnten Mittagessen. Der Mitarbeiter/ die Mitarbeiterin darf sich den Tag und den Ort, z.B. sein Lieblingslokal/Restaurant selbst aussuchen. Mir geht es hier darum, uns an einem „neutralen“ Ort zu treffen, wo der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sich wohl fühlt und wir uns in einem 4-Augengespräch näher kennen lernen können. Ich möchte verstehen, was diesen Menschen bewegt, wie sein/ihr Leben aussieht und wie unser Unternehmen dabei helfen kann, dieses Leben noch besser zu gestalten.
5. Wie sieht eure Feedback(gesprächs)kultur aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass deine Mitarbeiter sich weiterentwickeln?
Die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter liegt mir besonders am Herzen. Deswegen führen wir, nicht wie in den meisten Unternehmen, Mitarbeitergespräche einmal im Jahr, sondern alle 6-8 Wochen durch. Hierbei geht es nicht nur um die fachliche Expertise, sondern besonders um die persönliche Weiterentwicklung. Deswegen ist es wichtig, gemeinsam zu erarbeiten, wo die persönlichen Stärken eines Mitarbeitenden liegen. Erst dann können die Mitarbeitenden mit den richtigen Aufgaben, Zielen und der Position im Unternehmen gefördert werden. Hier bekommt der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin direkt von der Führungskraft regelmäßig Feedback, wie er/sie sich in den letzten Wochen entwickelt hat, wo noch großes Potenzial liegt und wo Glaubenssätze liegen, die einen vielleicht limitieren.
Zudem liegt mir besonders am Herzen, welche Ziele der Kollege/die Kollegin allgemein im Leben hat, wie sein/ihr optimaler Lebensstil aussehen soll und wie wir als Unternehmen unterstützen können, damit er/sie diesen auch bestmöglich ausleben kann. Ich finde es faszinierend, wenn ich auf die Entwicklung der Kolleginnen und Kollegen schauen, die vor ein paar Jahren zu uns gekommen sind, im Vergleich wo sie heute stehen. Die Entwicklungen sind teilweise enorm. Damit meine ich nicht nur die fachliche Entwicklung, sondern die persönliche Weiterentwicklung in Sachen Auftreten, Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Verantwortung, Status und als Mensch. Das macht mich persönlich sehr stolz und bestätigt mich täglich, dass wir wohl einiges in der Hinsicht richtig machen.
6. Welche Herausforderung siehst du in der Remote-Führung und wie gehst du damit persönlich um?
Das ist eine Frage, die mich seit Beginn der Pandemie sehr beschäftigt hat, muss aber sagen, dass ich positiv überrascht war, wie gut das trotz monatelangem Remote-Arbeiten funktioniert hat. Da sich unsere Teams sowieso durch unsere Organisationsstruktur in Kick-Offs, Dailys, Reviews und Retros täglich austauschen, hatten wir bereits eine sehr gute Ausgangslage.
Da wir sowieso keine festen Anwesenheitstage in der Agentur habe – also niemand muss ins Büro kommen, wenn er nicht möchte – finde ich es schön zu sehen, wie sich die Teams dennoch untereinander abstimmen, um Bürotage für gemeinsames Arbeiten aber auch privaten Austausch festlegen. Sie nehmen sich aber auch die Freiheit, um von Zuhause aus oder auch mal für mehrere Wochen an einem Ort, wo andere Urlaub machen, zu arbeiten. Ich denke die Freiheit zu haben, selbstorganisiert zu entscheiden, wo man als Team arbeiten möchte, ist ein wichtiger Grundstein des heutigen Arbeitens. Auch wenn das für mich selbstverständlich ist, sehe ich in vielen Unternehmen, dass das noch immer nicht die Norm ist.
Mich freut es auch immer zusehen, wenn neben geplanten Events wie z.B. Weihnachtsfeier, Sommerevent, Geburtstage, Jahrestage etc. auch immer wieder regelmäßige Treffen organisiert werden, ob es ein spontanes gemeinsames Frühstück, Mittagessen oder auf ein Feierabendgetränk ist.
Wer sich persönlich austauschen möchte, wird auch trotz Pandemie einen Weg finden, dies zu tun. Hier spielt die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle!
7. Welche Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren im Bereich Führung allgemein auf uns im Agenturbusiness als auch persönlich auf dich zukommen?
Ich denke, dass das Thema Remote eine noch größere Rolle in der Zukunft spielen wird. Auch wir schreiben immer mehr Remotestellen aus. Das bietet uns einerseits die Möglichkeit, Mitarbeitende zu gewinnen, die nicht in der direkten Umgebung wohnen, aber bringt andererseits auch die Herausforderung mit sich, dass ein spontaner Bürotag nicht mehr so ohne weiteres möglich ist.
Ich denke, dass wir uns in der Agenturwelt hier einiges von den Großen abschauen können, die es schaffen weltweit, Remote-Teams aus unterschiedlichen Kulturen aufzubauen und dabei ihre Unternehmenskultur und Werte nicht verlieren.
Ich bin ein großer Fan vom Remote-arbeiten und der Freiheit, die einem damit ermöglicht wird. Diese Freiheit möchte ich auch jedem Mitarbeiter/jeder Mitarbeiterin in unserem Unternehmen ermöglichen, was auch bedeutet sich als Führungskraft mit allen Herausforderungen auseinanderzusetzen, die diese Freiheit für ein Unternehmen mit sich bringt.