In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Freelancer:innen aus dem Bereich SEO und Digitales Marketing. Im Fokus stehen dabei Fragen aus den Bereichen Selbstführung, Selbstständigkeit und Unternehmertum. Hierdurch lernst du die freischaffenden Unternehmer:innen näher kennen und erhälst durch ihre Antworten einen Eindruck, worauf es beim Freelancing ankommt. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Sabine Langmann. – Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Sabine Langmann
Sabine Langmann ist seit 2019 freiberuflich unterwegs und hat sich auf Tech SEO, Audits und Strategie spezialisiert. Zuvor war sie einige Jahre inhouse für eines der führenden Gutschein-Portale unterwegs. Ihren Anfang im SEO fand Sabine vor 10 Jahren bei der Agentur mindshape, wo sie als erste Trainee ihren Weg in die Welt der Suchmaschinen bahnte.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich für die Themen Selbstführung und Unternehmertum positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Tatsächlich kam meine größte Inspiration durch meinen Vater, der uns von klein auf gepredigt hat, wie wichtig es ist, auf den eigenen Beinen zu stehen und möglichst selbstbestimmt durch unser (Arbeits-)Leben zu gehen. Somit war immer klar für mich, dass ich eines Tages meine eigene Chefin sein werde. Bücher und Podcasts zu den Themen gönne ich mir viel zu wenig, aber Rand Fishkins Lost and Founder kann ich auf jeden Fall empfehlen. Standardlektüre für eigentlich alle und jeden sind meiner Meinung nach The Tyranny of Words von Stuart Chase und unbedingt Crucial Conversations von Kerry Patterson. Hier geht es um Kommunikation: Die Auswahl der richtigen Begriffe und wie wir aus schwierigen, emotionsgeladenen Gesprächen produktive Momente machen.
2. Selbstständig zu sein bedeutet nicht nur sein eigener Chef zu sein, sondern letztlich auch sein:e erste:r und einzige:r Angestellte:r zu sein. Damit einher geht, dass man sich selber Strukturen, Routinen und Prozesse schaffen muss. Das ist Selbstdisziplin. Welche Mittel und Wege helfen dir dabei, um dich selbst zu organisieren und weise mit deinen Freiheiten umzugehen?
Von Anfang an wusste ich, dass ich unbedingt meine Zeiten tracken muss, damit ich am Ende eines Monats verstehe, welche Aufgabe tatsächlich wie viel Zeit in Anspruch genommen hat. Strenge Empfehlung für das Tool Clockify! Das ist zum Beispiel auch meine Grundlage für die Rechnungsstellung bei laufender SEO-Beratung. Hier sollte man übrigens nicht vergessen, auch „periphäre“ Themen mitzutracken – Zeit für Vortragsvorbereitung, Weiterbildung oder administrative Aufgaben. Die Zeit für dieses Interview tracke ich natürlich auch 😉 So behalte ich einen guten Überblick darüber, wie ich meine Zeit verteile, wo es noch Optimierungspotenzial gibt und wo ich Gas geben muss, um Aufgaben zu erledigen.
3. Im Volksmund sagt man „Selbstständig zu sein bedeutet: Selbst und ständig.“ Ob das immer so stimmt, hängt sicher von einem selbst ab. Aber eins ist klar: Selbstständigkeit verlangt Selbstachtung. Wie gelingt es dir, dass du verantwortungsvoll mit deiner Zeit und deinem Körper umgehst?
Das war und ist ein schwieriger Prozess, über den ich mir wirklich erst aktiv bewusst werden musste. Gerade dieses Jahr hatte ich mir zuviel Arbeit aufgehalst und in Verbindung mit extrem wenig echter (!) Auszeit sowie den körperlichen Anstrengungen des Mutterseins (aka Schlafmangel), kam ich dann doch an meine Grenzen. Wenn du lustlos an Projekten sitzt und du einfach nur noch dauermüde bist, weißt du, dass du dringend den Laptop ein paar Wochen zur Seite legen musst.
Ein weiteres wichtiges Thema sind „toxische“ Kund:innen. Darunter verstehe ich solche Kund:innen, die ich eigentlich nur als Belastung wahrnehme. Faktoren sind dabei schlechte Kommunikation, unpassende Druckausübung und Differenzen in unternehmenspolitischen Belangen. Wenn ich mit meinen Kund:innen im Meeting kein einziges Mal lache und die Kommunikation nicht auf Augenhöhe stattfindet („Als würde ich mit meinem fiesen Chef reden“), ziehe ich einen Schlussstrich. Oftmals sind es genau diese Kund:innen, die Empfehlungen nicht umsetzen oder später ihre Rechnungen nicht zahlen. Auch, wenn das Geld lockt – hier lieber aufs Bauchgefühl hören und sich den psychischen/körperlichen Stress sparen. Dafür sind wir schließlich selbstständig 🙂
4. Freelancer:innen sind per se selbst ihre wichtigste Schlüsselressource und gleichzeitig auch ihr wichtigster Vertriebskanal. Damit einher geht ein nicht skalierbares Geschäftsmodell, insbesondere wenn Zeit gegen Geld verkauft wird. In der Literatur spricht man hierbei vom Owner’s Business Dilemma. Inwiefern siehst du dies für dich persönlich als ein Problem? Und welche Lösungsideen hast du, um diesem zu entkommen?
Als Freelancerin ist Skalierbarkeit für mich ein untergeordnetes Thema. Natürlich sehe ich über die Jahre hinweg Wachstum – der begründet sich vor allem aus steigenden Tagessätzen. Kund:innen, die hier noch verhandeln wollen, kann ich leider nicht annehmen. Abgesehen davon können bestimmte Arbeitsschritte zumindest teilweise automatisiert werden, im Bereich der Keyword-Analyse geht da beispielsweise einiges. Allerdings habe ich mich auch auf strategische Aspekte festgelegt, für die ich wirklich selbst mein Hirn anschmeißen muss. Es wächst definitiv eine gewisse Routine, über die meine Aufgaben schneller erledigt werden können, aber irgendwo ist dann auch Schluss – für mich in dem Fall aber auch völlig in Ordnung.
5. Man sagt, dass eine Unternehmensvision die Voraussetzung für die Strategie und damit den langfristigen Erfolg ist. Es dreht sich dabei alles um die Frage, was man ernsthaft mit seinem Business erreichen will. Gilt dies auch für Freelancer:innen? Was ist dein langfristiges Ziel mit deiner Selbstständigkeit?
Stimmt, diese Philosophie kenne ich noch aus meinem BWL-Studium. Für mich persönlich stehen derzeit die folgenden Dinge im Vordergrund: Freude an meiner Tätigkeit / Sinnhaftigkeit, Flexibilität und ein komfortables Leben. Wellness, Champagner und Kaviar mag ich sehr gern, reicht mir aber ein-, zweimal im Jahr 😉
Davon abgesehen überlege ich aber tatsächlich immer mal wieder – vor allem, wenn ich die Aufträge kaum mehr abarbeiten kann – ob ich mir jemanden zur Unterstützung ins Boot hole. Das ist gerade in unserer Branche natürlich nicht ganz einfach, aber einen Versuch werde ich mittelfristig wagen. Als Vision sehe ich hier die „erfolgreichste Frauen-geführte SEO-Agentur Deutschlands“.
6. Viele sehen in der freischaffenden Beschäftigung die Chance, um wesentlich mehr Geld zu verdienen als in einer Anstellung. Doch immer wieder gibt es auch Beispiele, wo dies eben nicht gelingt. Was sind deines Erachtens die Faktoren, um als Freelancer:in erfolgreich zu sein? Wo siehst du Gefahren und Herausforderungen in der Selbstständigkeit? Und wie ist dein Weg hier gewesen?
Ich halte den Grundgedanken „Als Freelancer/in werde ich reich“ für irregeführt. Es sollte eher darum gehen, dass wir als Freiberufler ungefähr so viel verdienen wie festangestellt, allerdings mit weitaus mehr Flexibilität und keine:n Vorgesetzt:in, die Arbeitsschritte micromanagen.
Was mich sicherlich weit gebracht hat, ist meine sehr kommunikative Ader. Menschen interessieren mich einfach und ich liebe es, auf Events mit meinen Kollegen ins Gespräch zu kommen. Dazu gehört auch eine Menge „Über-den-Schatten-springen“, was ich aber höchstgradig empfehlen kann! In den allermeisten Fällen freuen sich die Leute über frischen Wind und neue Bekanntschaften.
Davon abgesehen beginnt der Weg in die Selbstständigkeit immer mit einem gut gefüllten Konto! Am besten so, dass es für ein halbes oder ein Jahr wirklich mies laufen darf. In meinem Fall hat mir das erlaubt, auch in holprigen Etappen Ruhe zu bewahren und mir die Kund:innen auszusuchen, die zu meinen Konditionen passen und mich weiterbringen. Ich glaube fest daran, dass sich Panik oder Stress sehr leicht ablesen lässt und potenzielle Kund:innen verjagt. Sobald es dann einmal läuft und die Arbeit gut gemacht wird, ist es tatsächlich ein Selbstläufer. 90% meiner Kund:innen kommen über Empfehlungen.
7. Würdest du jemals wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückgehen (wollen)? Warum bzw. warum nicht?
Allein bei LinkedIn erreichen mich pro Woche 2-3 Stellenangebote, mal mehr, mal weniger interessant. Wenn ich hier ins Gespräch gehe, dann meist mit Gehaltsvorstellungen von mindestens einem vollen Gehalt für eine halbe Stelle – anders lohnt es sich für mich derzeit einfach nicht. Natürlich gibt es bestimmte Unternehmen, für die ich eine Ausnahme machen würde. Das wäre aber eher ein Fall von persönlichen Beziehungen und nichts, was ich derzeit aktiv verfolgen würde. Insgesamt bin ich als Freiberuflerin sehr zufrieden und möchte diesen Pfad gern noch eine Weile weitergehen.