In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte-Coaches. Hierdurch bekommst du Einblicke über das Thema Leadership von Personen, die vielfältige Führungspersönlichkeiten und ihre Unternehmen begleiten können. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Stefan Merath. Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Stefan Merath

Stefan Merath

Stefan Merath ist Schwarzgurt-Unternehmer, Longseller-Autor („Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“, „Dein Wille geschehe. Führung für Unternehmer“) und Mentor. Nach der Insolvenz seiner ersten und dem Verkauf seiner zweiten Firma gründete er im Jahr 2007 die Unternehmercoach GmbH. Seine Vision: Unternehmer durch eine Kombination aus unternehmerischer Erfahrung und Coaching befähigen, ihren Traum zu verwirklichen – den Traum, ein hervorragender Unternehmer zu werden. Dafür setzt er mit seinem Team aus erfahrenen Unternehmercoaches nicht auf Prozesse und Konzepte, sondern direkt bei der Unternehmerpersönlichkeit an. Und er ist überzeugt: Unternehmersein kann man lernen. Wie, das verrät er unter anderem auch in seinem neuesten Buch, das im Frühjahr 2024 auf den Markt kommt.

 

1. Welches Buch, Blog oder welchen Podcast sind aus deiner Perspektive hilfreich für Führungskräfte und würdest du weiterempfehlen?

Fast alle Expert:innen setzen auf Methodik. Die Leser:innen oder Hörer:innen mühen sich mit den Tipps eine Weile ab und fallen dann wieder in ihre alten Muster zurück. Ich kann dir sagen, warum die Konzepte nicht funktionieren und warum sie nicht für die breite Masse geeignet sind: Weil es eben um Methoden geht und nicht um Menschen.

Empfehlen kann ich Kreativitäts-AG von Ed Catmull. Es ist seine Art über Führung zu denken, sich selbst zu reflektieren und die eigene Begrenztheit anzunehmen, die mich reizt. Und ganz nebenbei auch noch, dass er einer derjenigen war, die aus Steve Jobs eine gute Führungskraft gemacht haben.

Und dann gibt es da natürlich noch das Buch, das ich selbst zu diesem Thema geschrieben habe. In Dein Wille geschehe. Führung für Unternehmer erkläre ich, warum Unternehmensführung immer beim eigenen Grundmotiv, der eigenen Vision und Strategie beginnt. Die Leser:innen erfahren außerdem, warum es Sinn macht, erst an diesen Themen zu arbeiten, bevor sie sich ein Spitzen-Team zusammenstellen und für eine Führungsmethodik entscheiden. Das Buch richtet sich an Unternehmer:innen mit drei bis 50 Mitarbeitenden, nicht wie praktisch alle anderen Führungsbücher an Konzernmanager:innen. Manager:innen haben andere Aufgaben als Unternehmer:innen, also auch andere Führungsaufgaben. Manager:innen arbeiten in einem Führungssystem, Unternehmer:innen arbeiten an einem Führungssystem. „Dein Wille geschehe. Führung für Unternehmer“ ist somit das einzige Führungsbuch speziell für Unternehmer:innen!

 

2. Was ist für dich der Unterschied zwischen einem/einer Coach:in und einem Mentor:in? Und ab wann sollte jede Führungskraft sich den/die eine:n oder andere:n suchen?

Für mich gehören beide Rollen zu einem Kontinuum und es fehlt meiner Meinung nach noch ein dritter Begriff: Trainer:in. Auf der einen Seite des Kontinuums ist der/die klassische Coach:in. Ganz überspitzt gesagt hat diese:r nicht die geringste Ahnung vom Problem des/der Kund:in. Aber er kennt einen Prozess, mit dem der/die Kund:in sein/ihr Problem selbst lösen kann.

Auf der anderen Seite ist der/die Trainer:in. Er bzw. sie war selbst viele Jahre in dieser Profession aktiv tätig und gibt nun sein/ihr Wissen, seine/ihre Einstellung und Haltung sowie Methoden an den/die Kund:in weiter. Und dann gibt es in der Mitte dieses Kontinuums, mehr auf der Trainerseite, den/die Mentor:in. Er/sie war selbst in der Profession aktiv, kann aber an den Stellen, an denen es erforderlich ist, auch coachen.

Wenn man es in den klassischen Begriffen der Heldenreise beschreiben sollte, dann ist der/die Mentor:in der- bzw. diejenige, der/die dem bzw. der Held:in in kritischen Situationen den Weg weist, Erfahrung und Hilfestellung bietet oder ihn/sie auch warnt. Er/Sie ist den Weg des/der Held:in bereits gegangen und ist demütig genug, um zu wissen, dass die jetzige Reise die des/der Held:in ist und nicht seine/ihre eigene. Ihm/Ihr geht es darum, dass der/die Held:in seine/ihre Reise besteht, aber noch mehr, dass er/sie dabei wirklich zu dem wird, der er/sie sein kann und der/die sein/ihr ganzes Potenzial entfaltet.

 

3. Als was siehst du dich und wie stellst du sicher, dass du für deine Klient:innen einen Mehrwert lieferst? Muss deiner Meinung nach ein:e Coach:in oder ein:e Mentor:in selbst Profi als Führungskraft sein, um Führungskräfte begleiten zu können?

Wie ich selbst, sind auch alle anderen Unternehmercoaches bei Unternehmercoach in der Mentoren-Rolle. Sie waren oder sind seit mindestens 10 Jahren Unternehmer:innen, haben außerdem eine Coachingausbildung gemacht. Ich selbst bin in dieser Rolle etwa 50 Tage pro Jahr bei Seminaren und unserem zweijährigen Unternehmertraining tätig und habe inzwischen viele tausend Unternehmer:innen bei grundlegenden Veränderungen begleitet.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, was bei Unternehmer:innen funktioniert und was nicht, nicht zuletzt wegen meiner Insolvenz im Jahr 2003. Einer der zentralen Punkte ist, Klartext zu reden. Direkt, offensiv und schnell. Nicht selten finde ich auf meinen Seminaren in Pausengesprächen nach wenigen Minuten den einen Punkt, der zu grundlegenden Veränderungen führen wird. Warum? Das ist letztlich einfache Mustererkennung, weil ich selbst seit fast 30 Jahren Unternehmer bin. Deswegen zu deiner Eingangsfrage: Ich persönlich halte Coaches und erst recht Mentor:innen, die nie selbst Unternehmer mit eigenen Angestellten waren, für ungeeignet, Unternehmer:innen zu coachen.

Aber niemand ist perfekt, auch nicht wir von Unternehmercoach. Es gibt viele Kund:innen, die sind in verschiedensten Bereichen besser geworden als wir selbst – und das ist gut so! Denn nur so können wir selbst weiter lernen. Wichtig ist, dass wir als Unternehmercoaches ähnliche Erfahrungen wie unsere Coachees selbst schon gemacht haben, vielleicht sogar mehrfach. Dieses Wissen teilen wir und bringen sie so entscheidende Entwicklungsschritte nach vorn.

 

4. Was macht erfolgreiche Führung für dich aus? Und was würdest du Menschen raten, die das Ziel haben, sich in eine Führungsposition zu entwickeln?

Ob ein Unternehmen gut geführt ist, kann man an nur 3 Kriterien erkennen und die kann man auf einer Skala von 0-10 messen.

  1. Gute Führung sorgt dafür, dass das ganze Unternehmen und möglichst alle Mitglieder vor positiver Energie vibrieren. Meine Erfahrung ist: Dafür braucht es eine starke Führungspersönlichkeit. Denn auch in einem harmonischen Arbeitsumfeld gibt es Konflikte, die vom Chef oder der Chefin geklärt werden müssen. Auch hier braucht es ab und an schnelle Entscheidungen, mit denen nicht alle glücklich sind. Ansonsten verlangsamt sich das Tempo. Die Produktivität sinkt. Unternehmensziele werden nicht mehr erreicht. Die Kund:innen spüren die Unzufriedenheit und wechseln zur Konkurrenz.
  2. Der Zweck eines Unternehmens ist, seinen Kund:innen Nutzen zu bieten. Nachdem ich einmal eine Zielgruppe für mein Unternehmen gewählt habe, bestimmt genau genommen der Bedarf der Kund:innen die weitere Richtung. Herausragende Führung weiß das und schafft eine Kultur, in der sich möglichst alle (von allein) an den Bedürfnissen der Kund:innen ausrichten.
  3. Wenn der Nutzen für die Kund:innen und die Gesellschaft gegeben ist, dann hat ein Unternehmen das Recht und die Pflicht, (qualitativ und quantitativ) zu wachsen. Und dann erfordert herausragende Führung, dass sowohl das Unternehmen als Ganzes wie auch die einzelnen Mitglieder wachsen und sich entfalten. Herausragende Führung orientiert sich bei der Vergabe der Ressourcen nicht an irgendwelchen Gerechtigkeits- oder Gleichverteilungskriterien, sondern am Gesamtwachstum. Ganz nebenbei deckt sich dies auch mit der einzigen Aufgabe des Unternehmers bzw. der Unternehmerin: Nämlich ein Unternehmen zu schaffen, das einen möglichst hohen Nutzen für den/die Nachfolger:in bietet. Wer dazu mehr wissen will, dem kann ich mein Buch Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer empfehlen.

Damit diese Führung gelingt, kommt es nicht so sehr auf die Methoden an. Mal ist Management by Objectives richtig, mal Scrum, mal Holacracy und mal TQM. Und manchmal auch eine Kombination aus all dem. Viel entscheidender ist jedoch: Wer ist die Persönlichkeit, die führt? Manche Menschen werden ernst genommen und manche nicht. Wie ich kann ich mich zu einer Führungspersönlichkeit entwickeln? Und das hat unglaublich viel mit Selbstreflektion, Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und zielgerichtetem Training im Team zu tun. Also in etwa das, was wir bei uns im Unternehmertraining für Unternehmer:innen anbieten. Führung ist heute Team-Sport. Sicher in dem Sinne, dass der/die Führende mit seinem/ihrem Team arbeitet. Aber noch viel mehr in dem Sinne, dass sich der/die Führende gemeinsam mit anderen Führenden bewusst weiterentwickelt und trainiert.

 

5. Mit welchen Tools (Frameworks, Tests usw.) arbeitest du gern und warum sind diese für die Arbeit von/mit Führungskräften ein Gewinn?

Ich beschäftige mich wie gesagt mit Methoden wie Scrum, EKS, Lean Startup usw. Der Punkt ist nur: Man braucht erstens den inneren Status, damit es funktioniert und zweitens ein übergreifendes Modell von Führung, wie ich es in meinem Führungsbuch mit den 3 Meta-Modellen beschreibe. Nur dann kann ich entscheiden, wann und in welcher Situation welches Modell das Richtige ist.

Anders als andere Expert:innen glaube ich nicht, dass zwei Führungskräfte, die nach derselben tollen Methode arbeiten, auch ähnliche Ergebnisse erzielen. Mal angenommen, man gäbe dieselben Führungsmethode Steve Jobs und Mr. Bean. Unabhängig davon, dass sie teilweise von ihrem Wertesystem her gar nicht in der Lage wären, diese Methoden anzuwenden, würden sie auch, wenn sie sie anwenden würden, völlig unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Der Schlüssel liegt also in der Persönlichkeit des Führenden. Die Methoden sind bestenfalls das Sahnehäubchen obendrauf!

 

6. Man sagt: „Führung fängt mit Selbstführung an.“ Was bedeutet Selbstführung für dich und was gilt es hier für Führungskräfte zu tun. Inwiefern kannst du bestätigen, dass mangelnde Selbstführung direkte, negative Konsequenzen auf die Führung von anderen Menschen hat?

OK, das ist eine sehr komplexe Frage. Ich vergleiche das mal mit Kampfsport. Um in einem Kampfsport richtig gut zu werden, brauche ich ein klar definiertes Ziel, also zum Beispiel den Schwarzen Gürtel. Dann brauche ich ein Trainingsprogramm mit Zwischenzielen (gelber Gürtel usw.), das mich darauf hinführt. Sowohl das Ziel als auch die Zwischenziele sind mit klaren Kriterien, also bestimmten Techniken verbunden. Zugleich gibt es aber auch ein inneres Spiel: Wie erzeuge ich eigene Trainingsgewohnheiten? Wie gehe ich mit den ganzen Ablenkungen und Verlockungen unterwegs um? Wie gehe ich mit der Angst um, wenn ich einem Stärkeren gegenüberstehe?

Das lässt sich eins zu eins auf Führung übertragen und hier werden recht schnell die Probleme offensichtlich: Was heißt es eigentlich, gut führen zu können? Die Basis ist, das Ziel und Zwischenziele klar definiert sind. Sind sie das nicht, ist meist auch das Trainingsprogramm entweder gar nicht vorhanden oder zufällig oder ich springe wild hin und her. Und ohne klares Trainingsprogramm kann ich auch das innere Spiel nicht spielen, weil ich gar keine klaren Trainingsgewohnheiten entwickeln kann.

Und jetzt die zugegebenermaßen gemeine Frage: Wie will jemand, der keine Klarheit über sein eigenes Entwicklungsziel als Führungskraft hat, andere führen? Und ich meine jetzt nicht oberflächliche Ziele wie: Projekt X als Führungskraft zu bestehen oder Y Euro Gewinn machen. Ich meine die Frage: Wer will ich als Führungskraft werden? Und das mit einer genaueren Antwort als nur Blabla.

 

7. Wenn man sich Statistiken anschaut, dann ist der/die Chef:in eines/einer der am häufigsten genannten Kündigungsgründe. Das klingt danach, dass viele Führungskräfte ihren Führungsjob nicht gut machen und ihrer ihrer Rolle bzw. den Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen nicht entsprechen. Ist dem denn wirklich immer so? Was muss sich hier ggf. ändern?

Das hat zwei Seiten. Zum einen, ja das ist so. Die meisten Führungskräfte wissen nicht, dass ihr Job ausschließlich der ist, die 3 vorher genannten Kriterien zu optimieren: also die Teamenergie, den Beitrag für die Kund:innen und das Wachstum der Menschen und des Unternehmens. Meist ist nur das Überleben des Unternehmens im Blick oder, im Falle von Manager:innen, manchmal nur die eigene Karriere. Um diese 3 Führungskriterien zu optimieren, braucht es Vertrauen, Angstfreiheit, Kritikfähigkeit, Selbstreflektion und innere Ruhe und Klarheit. Alles Punkte, die, wenn man sich als Führungskraft überfordert fühlt, erst mal zu kurz kommen.

Zum zweiten ist das mit dem Kündigungsgrund „schlechter Chef“ ein methodisches Problem: Die meisten Menschen, also auch Mitarbeiter:innen, die gehen, sind nicht in der Grundhaltung der Selbstverantwortung unterwegs. Und dann ist immer jemand anderes schuld. Und das ist im Zweifel der oder die Chef:in. Natürlich sollte der/die Chef:in zum Beispiel konfliktfähig oder selbstkritisch sein, aber der Mitarbeitende eben auch. Zu jedem Konflikt gehören immer mindestens zwei. Und das wird dann ausgeblendet. Würde man die Chef:innen fragen, warum jemand gekündigt hat, dann würden die meisten sagen, dass es halt der oder die falsche Mitarbeiter:in für diese Stelle war. Das stimmt zwar auch irgendwie, zeigt aber auch nicht von Selbstverantwortung.

Heißt für mich: Wenn jemand kündigt, dann kann es sein, dass der/die Mitarbeiter:in nicht ins Team passte. Das merkt man, wenn nach dessen Weggang die Energie im Team spürbar steigt. Oder es kann sein, dass ich als Chef:in diese Person nicht richtig geführt habe. Und, und das ist wichtig: Ich als Führungskraft bin in beiden Fällen verantwortlich – nicht schuld, sondern verantwortlich. Im ersten Fall habe ich den/die Mitarbeiter:in falsch ausgewählt, im anderen falsch geführt. Das ist eine positive Nachricht, weil ich so oder so etwas lernen kann. Und damit werde ich immer besser.

 

Bonusfrage: Erst die Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine und damit einhergehend instabile Lieferketten, Inflation, Rezession und gleichzeitig auch Arbeitskräftemangel und Fluktuationswellen. Keine einfache Zeit für Führungskräfte. Was ist in Zeiten wie diesen im Hinblick auf das Thema Führung ganz besonders wichtig?

In die Grundhaltung zu gelangen, dass es eine einfache Zeit ist. 😉

Ob etwas einfach oder schwer ist, hängt doch nicht an der Situation, sondern an unserer Art, mit der Situation umzugehen. Ein Beispiel von mir: März 2020. Lockdown. Für einen Seminaranbieter wie Unternehmercoach nicht wirklich cool. Es fanden nämlich keine Seminare statt. Wir hatten allerdings schon im Februar damit gerechnet und das Homeoffice für alle vorbereitet. Als nächstes machte ich die Ansage, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Denn wenn Mitarbeiter:innen Angst haben, können sie nicht vernünftig arbeiten. Und dann stellte ich die Frage, wie wir unseren Kund:innen jetzt helfen können. Die Lösung: Wir boten kostenlose Online-Veranstaltungen an, um unseren Kund:innen durch die Corona-Zeit zu helfen. Ergebnis war zuerst eine unglaubliche Dankbarkeit, dann ein Wachstum unserer Kund:innen im Durchschnitt in 2021 um über 30%. Und schließlich auch das Wachstum bei uns.

Viele haben die Hoffnung, dass diese Krisen irgendwann vorbei sein werden. Das wird nicht geschehen. Künstliche Intelligenz wird die meisten Geschäftsmodelle in den nächsten 3 bis 5 Jahren zumindest dramatisch verändern, wenn nicht komplett zerlegen. Und in diesem Umbruch entstehen zugleich riesige Chancen. Zumindest für die, die in einer ruhigen, klaren, selbstverantwortlichen Grundhaltung unterwegs sind. Diese Grundhaltung in einem Team von Unternehmer:innen zu trainieren, halte ich für DEN Schlüssel für die Zukunft.

 

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