Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Tatjana Biallas, Geschäftsführerin der FUNKE Medien Niedersachsen. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Tatjana Biallas
Geschäftsführerin der FUNKE Medien Niedersachsen
Tatjana Biallas ist eine ehemalige Kommilitone von mir und seit 15 Jahren in der Medienbranche tätig. Seit sechs Monaten ist sie in der Rolle der Geschäftsführerin der FUNKE Medien Niedersachsen. Das regionale Medienhaus mit Sitz in Braunschweig ist unteranderem der Herausgeber der Braunschweiger Zeitung und publiziert verschiedenste digitale Medienmarken. Seit 2013 ist Tatjana in den unterschiedlichsten Führungspositionen gewesen, bei Unternehmen wie CNBC International, Taboola und Gofeminin. Ihre Karriere begann sie bei der Mediengruppe RTL. Maßgeblich prägend für ihren Führungsstil war ihr 10-jährer Aufenthalt in London.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Vor einigen Jahren bin ich auf James Altucher und sein Buch Choose Yourself! aufmerksam geworden. Er ist ein amerikanischer Unternehmer, Ex-Hedgefonds-Manager, Schachmeister aber mittlerweile bekannt für seine vielen Bücher und seinen Podacst The James Altucher Show. Von ihm kann man eine essenzielle Sache lernen – nicht darauf zu warten, dass das Glück oder der Erfolg zu einem kommt. Man(n) oder Frau muss es selbst in die Hand nehmen.
2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?
Bei meinem Führungsstil steht das „Empowerment“ des Einzelnen im Mittelpunkt. Ich erwarte unternehmerische Eigeninitiative und Denkweise von meinen Mitarbeitenden. Ich bin eine Verfechterin davon sehr klar die Vision, Mission und das große Warum zu kommunizieren. Auf dem Weg zum Ziel machen wir gemeinsam Fehler und lernen daraus. Mich selbst sehe ich in der Rolle der Ideenministerin und des „Enablers“. Wenn mein Team an Grenzen stößt, unterstütze ich und helfe die Grenzen zu überwinden.
3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?
Ich habe glücklicherweise in meiner Laufbahn keine nennenswerten Geschichten erlebt, in denen ein Mann sich mir gegenüber signifikant danebenbenommen hat. Zumindest nicht in Bezug auf meine Beförderung zur Führungskraft. Mich haben Aussagen wie „du bist zu laut“, „du bist du fordernd“, „du willst zu viel auf einmal“ nie ausgebremst, sondern eher angespornt.
Tatsächlich gab es in den letzten 15 Jahren meiner Karriere, eine Vielzahl an Männern, die sich für mich stark gemacht haben und mich an den unterschiedlichsten Stellen in meiner Entwicklung als Manager, Coach und Mentor gefördert haben. Einige wichtige Karriereschritte habe ich Männern zu verdanken, die an mich geglaubt und mir eine Chance gegeben haben. Rückblickend hat mir geholfen, dass ich immer gerne die „Extrameile“ gegangen bin und zusätzliche Projekte und Aufgaben zu meinem Job übernommen habe. Von Anfang an habe ich auch versucht ein Netzwerk innerhalb und außerhalb der Company aufzubauen und Interesse an Weiterbildung sowie Coaching gezeigt.
4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?
Auch ohne offizielle Quote fühlt man sich als einzige Frau im Boardroom wie eine Quotenfrau. Die Frauenquote ist ein Werkzeug, welches in größeren Firmen schneller zu einem Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern führt. In KMUs ist eine Frauenquote dagegen viel schwieriger umsetzbar. Zusätzlich zur reinen Quote brauchen wir einen Plan zu Themen wie Elternzeit, Führung in Teilzeit und Kinderbetreuung am Arbeitsplatz. Also die Quote allein wird das Thema nicht lösen. Unternehmen müssen es Frauen auch ermöglichen sinnvoll Familie und Karriere verbinden zu können.
5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?
Ich würde jungen Talenten gerne mitgeben, dass ein „Nein“ niemals ein „Nein“ bleiben muss. Karriere zu machen, bedeutet unfassbar viel Eigeninitiative und Enthusiasmus an den Tag zu legen. Dazu gehört es auch nicht aufzugeben. Jemand der ein festes Ziel und einen Traum im Kopf hat und daran festhält, wird es auch schaffen.
6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?
Keine Karriere funktioniert ohne eine Anzahl an Supportern. Support kann unterschiedliche Formen haben. Ein Manager kann seine weibliche Mitarbeitende zu Weiterbildungsmaßnahmen und Coachings schicken. Ein Kollege kann eine Kollegin hervorheben und für Projekte vorschlagen. Ein Mentor kann ermutigen und Selbstbewusstsein stärken. Das sind nur einige Beispiele wie Unterstützung aussehen kann.
7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?
Ich persönlich habe mich vor der gendergerechten Sprache nicht ausgeschlossen gefühlt. Erst seit der Debatte ist mir selbst aufgefallen wie viele Begriffe rein männlich sind. Noch fühlt sich manchmal der Einsatz der gendergerechten Sprache holprig an und ich verstehe wieso sich viele schwer tun. Ich empfinde das „gendern“ allerdings mittlerweile als Wertschätzung und Respekt. Besonders wenn ein Mann sich darum bemüht.